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Rigaer Straße 94 bedeutet Vorverurteilung

Marek M. aus dem Umfeld der linksradikalen Szene in Friedrichshain wurde zu 140 Tagessätzen verurteilt

Von den Vorwürfen der Polizei und der Staatsanwaltschaft gegen Marek M. blieb in der Urteilsverkündung am Montag nicht viel übrig. Deutliche Kritik gab es am Vorgehen des Staatsschutzes.

Massive Stimmungsmache seitens der Polizei, unkritische Berichterstattung vieler Zeitungen und Drohungen gegen Zeugen vonseiten der Sympathisanten der Rigaer Straße 94.

Eine Gemengelage, die offensichtlich dazu führt, dass für Delikte, die sonst relativ schnell abgeurteilt werden und oft mit einer Entschuldigung oder einem geringen Tagessatz beglichen sind, im Fall von Marek M. ein sehr großer Prozess-Aufwand betrieben wird. Ein Aufwand, der »der Sache nicht hilfreich war«, so zumindest formulierte es der Vertreter der Nebenklage beim Prozess gegen Marek M. (genannt Isa), der am Montag vor dem Landgericht Berlin zu Ende ging.

Am Montag hatte das Gericht mehrere Anschuldigungen gegen Marek M. aus den Jahren 2017 und 2018 zu verhandeln. Von vorsätzlicher Körperverletzung über Beleidigung und Bedrohung reichten die Vorwürfe, die im Laufe des Prozesses immer mehr entkräftet wurden, bis nur noch wenig davon übrig blieb. Schließlich endete das Verfahren, das im Hochsicherheitssaal B218 des Amtsgerichts Moabit stattfand, mit der Verurteilung zu 140 Tagessätzen. Da Marek M. bereits 117 Tage in Untersuchungshaft verbracht hatte, bleiben 23 Tagessätze übrig für ihn – eine Summe wohl zwischen 230 und 500 Euro. Ein Urteil, das für beide Seiten nicht zufriedenstellend sein kann.

Der am schwersten wiegende Tatvorwurf betraf einen Vorfall am 11. März 2018. An dem Tag hatte sich Marek M. gegen einen Passanten zur Wehr gesetzt, der vorher seinen Hund angegriffen und mutmaßlich seine Frau bedroht hatte – der Mann trug schwere Verletzungen davon. Das Gericht hatte nun zu entscheiden, ob das Vorgehen von Marek M. von Notwehr gedeckt sei. Dies sei nur zum Teil der Fall, urteilte das Gericht: Marek M. habe zwar den Arm des Angreifers festhalten, wie eine Zeugin im Prozess zu Protokoll gab, hätte ihn aber nicht würgen dürfen. Verurteilt wurde Marek M. auch, weil er einer Polizistin auf Polnisch »Hure« zugerufen hatte. Zudem hatte er zu einem anderen Polizisten, während dieser Marek M.s 13-Jährige Tochter festhielt, um sie zu kontrollieren, gesagt: »Wenn ich dich ohne Waffe treffe, bringe ich dich um«, was als Bedrohung aufgefasst wurde.

Der Anwalt von Marek M., Lukas Theune betont, dass die Polizei es offensichtlich darauf angelegt habe, Marek M. als Kriminellen darzustellen. So seien kurz nach dem Vorfall am 11. März 2018 Plakate der Polizei aufgehängt worden, auf denen von einem »Schwerverbrecher« die Rede war und Vorwürfe als bereits bewiesen dargestellt wurden. »Selbst die Nebenklage hat ja das Verhalten der Polizei und des polizeilichen Staatsschutzes als wenig hilfreich bezeichnet«, argumentiert der Anwalt. Zusammenfassend handele es sich um eine »polizeiliche Eskalationsstrategie«, so Theune. Er habe bereits öfter erfahren müssen, dass allein die Meldeadresse in der Rigaer Straße 94 ausreiche, um massiv gegen deren Bewohner vorzugehen. So berichtet er von einem Ladendiebstahl, den der Staatsschutz an sich zog, nur weil die mutmaßliche Diebin in der Rigaer Straße 94 gemeldet war. Letztlich wurde sie freigesprochen.

Theune wirft einzelnen Polizisten vor, sie würden versuchen, Marek M. etwas anzuhängen, weil sie ihn »hassten«. Dem wollte der Vorsitzende Richter allerdings erwartungsgemäß nicht folgen.

In der Rigaer Straße gibt es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Bewohnern von Hausprojekten, Anwohnern und der Polizei. Aktuell ist das queere Wohnprojekt Liebig 34 von der Räumung bedroht.

nd 20.8.19 Tim Zülch