Nach Hausdurchsuchungen bei Anti-G-20-Aktivisten: Bündnis plant Solidemonstration in Frankfurt am Main. Ein Gespräch mit Timo Brym
Solidarität mit den Verfolgten: Wer gegen den G-20-Gipfel demonstrierte, sieht sich teils starken Repressionen ausgesetzt
Timo Brym ist Aktivist im Bündnis »United we stand Offenbach/Frankfurt«
Kurz vor dem ersten Jahrestag des G-20-Gipfels in Hamburg hat die Sonderkommission »Schwarzer Block« am vergangenen Mittwoch bundesweit 13 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Vier davon gab es in Offenbach und Frankfurt am Main, dabei wurden vier Aktivisten festgenommen. Wie ist die Polizei bei den Durchsuchungen vorgegangen?
In den Morgenstunden standen plötzlich uniformierte Polizisten der Soko Hamburg bei den Aktivisten vor der Tür. Sie wurden geweckt und ihre Wohnungen durchsucht, Computer, Speichersticks und anderes wurden beschlagnahmt. Dann wurden sie nach Hamburg gebracht und dort einem Haftrichter vorgeführt. Zwei von ihnen sitzen immer noch in Untersuchungshaft. Ihre Anwälte haben eine Haftprüfung bei den zuständigen Gerichten beantragt. Die beiden anderen sind mittlerweile frei, weil sie noch minderjährig zu dem Zeitpunkt waren, als die ihnen vorgeworfenen Taten verübt worden sein sollen. Die Haftbefehle gegen sie sind aber nicht aufgehoben, die Tatvorwürfe bestehen weiter. Ihre Reisepässe wurden eingezogen. In regelmäßigen Abständen müssen sie sich bei der Polizei melden.
Sie planen eine Demonstration am heutigen Donnerstag – mit welchem Ziel?
Unser Motto ist: »Lasst die Leute frei.« Wir sind sauer und werden unseren Protest auf die Straße tragen. Der Angriff richtet sich nicht nur gegen diese vier Leute, gemeint sind wir alle. Er richtet sich gegen unsere Strukturen und Zentren, in denen sich Menschen mit fortschrittlichen Gedanken bewegen. Aus unserer Sicht haben wir im vergangenen Jahr in Hamburg einen legitimen Protest gegen Kapitalismus und Krieg auf die Straße gebracht. Aktivisten und Einwohner sind dort massenhaft von der Polizei angegriffen worden. Jetzt versucht die Polizei im Nachhinein unsere Leute zu jagen und den Protest zu delegitimieren. Auf der anderen Seite werden die Verfahren gegen Polizeigewalt vermutlich wieder alle eingestellt.
Welche Tatvorwürfe gibt es gegen die festgenommenen Aktivisten in Frankfurt und Offenbach?
Unter anderem wird ihnen ein besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs vorgeworfen, schwere Sachbeschädigung und die Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Das Bündnis beklagt in seiner Erklärung hartes Vorgehen gegen linke Strukturen, beispielsweise durch Kommunikationsüberwachungen, Observationen und neue Polizeigesetze. Was merken Sie davon?
Seit unseren Protesten gegen G 20 sind ganze Stadtteile unter Beobachtung. Frankfurter CDU- und FDP-Politiker hetzen ständig gegen unser selbstverwaltetes Zentrum, das ehemalige Polizeigefängnis Klapperfeld, mit dem Ziel, es zu räumen. Sie betreiben eine mediale Kampagne gegen uns. Auch gegen den seit 35 Jahren besetzten Bauernhof »Die Au« im Frankfurter Stadtteil Rödelheim wurde unmittelbar nach der Demo in Hamburg gewettert: Es sei ein »rechtsfreier Raum«, der geschlossen werden soll. Bundesweit sind nun linke Zentren unter Druck, ob die »Rote Flora« in Hamburg, das »Conne Island« in Leipzig-Connewitz oder andere.
Was fordern Sie?
Wir fordern die Freilassung unserer Leute und wollen mit anderen fortschrittlichen Kräften eine solidarische Antwort gegen die zunehmende Repression entwickeln. Das antifaschistische, anarchistische und migrantische Spektrum muss in Frankfurt gegen diese Einschüchterungen zusammenstehen.
Sie sprechen also nicht nur die linksradikale Szene an?
Nein. Wir wollen das breite linke Spektrum mit dabei haben. Allerdings ist das eine große Herausforderung. Der allgemeine Rechtsruck ist auch dort zu spüren. Das Ziel muss es sein, eine gemeinsame Solidarität zu entwickeln. Unsere Demo startet um 17 Uhr in der Klapperfeldstraße. Dort liegt unser selbstverwaltetes Zentrum, unweit von Gerichtsgebäuden und einer Polizeiwache. Wir wollen signalisieren, dass wir uns nicht einschüchtern lassen. Die Demo soll einen bunten, aufgeschlossenen, aber entschlossenen Charakter haben. Wir werden durch die Innenstadt laufen, die Einwohner Frankfurts über unser Anliegen informieren, und zeigen, dass wir es nicht hinnehmen, dass unser Widerstand kriminalisiert werden soll.
Interview: Gitta Düperthal junge Welt 5.7.18