ra turkey

»Wer sich mit Linken einläßt, wird verfolgt«

Juristenvereine werten Prozeß gegen 22 Anwälte in Türkei als Angriff auf Rechte der Verteidiger. Gespräch mit Dieter Hummel

Interview: Gitta Düperthal , junge Welt 6.1.14

          Dieter Hummel ist Vorsitzender der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und war als Prozeßbeobachter in Silivri bei Istanbul

*/In der Türkei stehen derzeit 22 Anwältinnen und Anwälte vor Gericht. Sie hatten die Strafverteidigung von angeblichen Mitgliedern der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) übernommen, die als Terrororganisation eingestuft wird. Was erscheint Ihnen als Prozeßbeobachter bemerkenswert?
/*

Prozeßbeginn war am 24. Dezember, das ist in der muslimisch geprägten Türkei kein Feiertag. Am Vorabend fand in der Anwaltskammer in Istanbul vorbereitend eine Veranstaltung statt – mit anschließender Demonstration unter Beteiligung von etwa 2000 Kolleginnen und Kollegen; viele kamen in Roben. Was die Polizei nicht abgehalten hat, sie nach wenigen hundert Metern zu stoppen. Den 22 Angeklagten wird Mitgliedschaft in der DHKP-C sowie die Unterstützung der Organisation vorgeworfen. Tatsächlich sind sie angeklagt für etwas, das wir als ein völlig normales Verteidigerverhalten bezeichnen würden. Dafür sprechen auch die Indizien, die herangezogen werden. Die Mitgliedschaft soll sich etwa daran gezeigt haben, daß die Beschuldigten viele Personen aus dem Umfeld verteidigt oder ihren Mandanten geraten haben zu schweigen. Dabei ist das ein anwaltlicher Standardrat – sowohl in politischen als auch in anderen Verfahren. Unterlagen aus dubiosen Quellen aus Holland und Belgien werden herangezogen, die dort bereits Gegenstand gerichtlicher Verfahren waren und vermeintlich den Tatvorwurf belegen. Deren Herkunft ist ebenso unklar wie der Weg, auf welchem sie in die Türkei gelangt sind. Zudem gibt es geheime Zeugen.

*/Wie war die Atmosphäre beim Prozeßauftakt?
/*

Beeindruckend. Es hat lange gedauert, bis die Personalien aller anwesenden Beteiligten aufgenommen waren: 500 Kolleginnen und Kollegen hatten sich gemeldet, gemeinsam die Verteidigung zu übernehmen. Sie haben den Umstand genutzt, daß es, anders als in der Bundesrepublik, in der Türkei kein Verbot der Mehrfachverteidigung gibt.

*/Also fand im Gerichtssaal quasi eine Demonstration statt?
/*

In den Saal passen meiner Einschätzung nach etwa 700 bis 800 Leute. Die Verhandlung wurde über zwei Großleinwände übertragen. Aus Solidarität waren Vorsitzende der türkischen Anwaltskammern anwesend, aus Deutschland Vertreter der Europäischen Vereinigung von Juristinnen & Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM), des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und der VDJ sowie Mitglieder von Berufsverbänden unter anderem aus Italien, Belgien, den Niederlanden, Spanien, Frankreich,