sivas

Türkei: MASSAKER VON SIVAS,1993 (37 TOTE)

Typisch für das Kulturfestival war es, berühmte Künstler aus Literatur und Musik einzuladen, die größtenteils dem alevitischen Glauben angehörten. So war der türkische Schriftsteller Aziz Nesin einer von vielen Gästen, die die Veranstaltung 1993 besuchten. Aufgrund seiner Übersetzung von Salman Rushdies Roman „Die satanischen Verse‘, was unter streng gläubigen Sunniten und Nationalisten (Bozkurt/MHP) als Ketzerei angesehen wurde, weil er den Propheten Mohammed und den Islam kritisieren solle, war Aziz Nesin unter streng gläubigen Kreisen nicht gerne gesehen und galt als Provokateur. Seine Anwesenheit am Pir-Sultan-Abdal-Kulturfestival löste deshalb unter den Sunniten und Faschisten in Sivas große Empörung aus, was sich im Laufe des Tages zu einem der schlimmsten Vorfälle der türkischen Geschichte entwickeln sollte. Schnell versammelten sich radikale Islamisten und Nationalisten, um zunächst gegen Aziz Nesin zu demonstrieren und ihn aufzufordern, die Stadt zu verlassen. Als diesen Protesten immer mehr Menschen beiwohnten, aber Ausrufe wie „Sivas wird der Ort sein, an dem Aziz Nesin sterben wird!“ ignoriert wurden, fühlte sich die Menschenmasse nicht ernst genommen und begab sich auf den Platz vor dem „Madimak-Hotel“, dem Ort, an dem die geladenen Gäste des Kulturfestivals übernachten sollten. Schnell wurde aus dem Protest der Islamisten gegen Aziz Nesin ein Protest gegen die türkische Republik – und anschließend ein Protest gegen Andersdenkende. Der wütende Mob riss zunächst die Statue von Pir Sultan Abdal nieder und zündete dann unter der Phrase „Im Namen von Allah!“ das Madımak-Hotel an, wodurch insgesamt 37 Menschen ums Leben kamen (33 Gäste des Festivals, zwei Hotelangestellte und zwei Mitglieder des Mobs). Noch heute ist unklar, warum Feuerwehr und Polizei tatenlos zugesehen und erst nach mehreren Stunden eingegriffen haben, obwohl sie das Geschehen von Anfang an beobachteten. Als Zeichen ihrer Trauer versammeln sich jedes Jahr am 02. Jul, dem Jahrestag des Brandanschlages, Menschen in Sivas, um gegen die radikale Gesinnung zu protestieren, für die Kunst- und Meinungsfreiheit zu werben und die Anerkennung des Alevitentums zu fordern. Die größte Forderung der Aleviten jedoch, aus dem ehemaligen Hotel ein Friedensmuseum zu machen, ist bis heute nicht erfüllt worden. Stattdessen war das Gebäude jahrelang als Fleisch-Restaurant in Betrieb. Der Präsident des faschistischen türkischen Staates Recep Tayyip Erdoğan hat Februar 2020 einen der Hintermänner, der zunächst zum Tode verurteilt wurde und dessen Strafe nach der Abschaffung der Todesstrafe in eine lebenslange Haft umgewandelt wurde, durch den begnadigt. Der Guerillakämpfer aus der marxistisch-leninistischen Organisation Revolutionäre linke (Devrimci Sol) Mete Nezihi Altinay ist aus Zeichen des Protests wegen der Untätigkeit des Staates bei dem Sivas-Massaker in die Polizeistation von dem Stadtteil Ali Baba einmarschiert! https://www.facebook.com/Freiheitskomitee-246203649416735/?ref=py_c