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Hungerstreik in zweiter Woche Palästinensische Gefangene verweigern weiterhin Nahrung in israelischen Gefängnissen

Beunruhigende Nachrichten drangen am Montag aus dem Jamala-Gefängnis in Israel: Marwan Barghuti soll es nach neun Tagen Hungerstreik gesundheitlich schlecht gehen. Er leide unter niedrigem Blutdruck und habe Probleme mit dem Zuckerspiegel, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Maan. Barghuti habe die Medikamente verweigert, die ihm das Gefängnispersonal angeboten habe.

Eine Sprecherin des Wachpersonals bestritt gesundheitliche Komplikationen: »Soweit ich weiß, gibt es keine signifikanten Veränderungen beim medizinischen Zustand irgendeines Gefangenen im Hungerstreik.« Die Entscheidung, an der Aktion teilzunehmen, sei persönlich, und jeder könne sie beenden, falls er sich nicht gut fühle, sagte sie laut Maan.

Mehr als 1.500 der insgesamt 6.300 palästinensischen Inhaftierten verweigern nach palästinensischen Angaben seit dem 17. April die Nahrung. Sie protestieren damit gegen die schlechten Bedingungen in den Haftanstalten. Die israelischen Behörden geben eine etwas niedrigere Zahl der Hungerstreikenden an: 1.200. Am Wochenende kolportierten israelische Medien, dass die Gefangenen der islamistischen Hamas die Aktion abgebrochen hätten.

Weil die Anwälte ihre Mandanten nach wie vor nicht aufsuchen dürfen, konnten Solidaritätsgruppen das Gerücht weder bestätigen noch verneinen. Offizielle israelische Stellen bestreiten, dass den Anwälten der Besuch verweigert wird. Doch die vermeintlichen Anführer des Hungerstreiks befinden sich allesamt in Isolationshaft und sind über das ganze Land verteilt worden.

Die Profiteure des Terrors
Außerdem sei der gesamte persönliche Besitz der kämpfenden Gefangenen konfisziert worden. Die Häftlinge hätten keinen Ausgang, und auch Fernsehen sei gestrichen. Beten sei ebenfalls verboten, berichtete Maan. Das palästinensische Solidaritätsnetzwerk »Samidoun« teilte mit, dass Wachen die Hungerstreikenden daran hindern, in den Gefängnisläden Salz und Wasser zu kaufen – das einzige, was die Inhaftierten während der Aktion zu sich nehmen dürfen.

Außerhalb der Gefängnismauern unterstützen Tausende in den besetzten Gebieten den Hungerstreik. Am vergangenen Sonnabend kam es in Ramallah zu einer lauten »Topf-und-Pfannen-Demo«, bei der die Teilnehmer mit Löffeln auf Kochgeräte schlugen. Vor dem Gefängnis von Ofer schickten Demonstranten Luftballons mit Familienfotos über die Mauern.

Im Gazastreifen hatte die marxistische Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) zu einer Kundgebung aufgerufen. »Unsere tapferen Gefangenen sind an der Spitze unseres Volkes, und sie sind der harte Kern des palästinensischen Kampfes in der Auseinandersetzung mit der Besatzung und ihren repressiven Mitteln«, sagte ein PFLP-Vertreter während der Demonstration. Ihr inhaftierter Generalsekretär Ahmad Saadat gilt als einer der Köpfe des Hungerstreiks. Am Wochenende wurden drei weitere Führer der PFLP und einer der leninistischen Demokratischen Front in Einzelhaft verlegt.

Unterdessen erhielten die Palästinenser sogar Unterstützung aus Frankreich, wo sich der libanesische Aktivist Georges Ibrahim Abdallah und andere Gefangene aus Solidarität drei Tage lang am Hungerstreik beteiligten. Abdallah ist seit mehr als 30 Jahren in Frankreich in Haft, weil er sich in den 80er Jahren an Anschlägen auf Repräsentanten Israels und der USA beteiligt haben soll.

Die Führung der Fatah, die in den Autonomiegebieten auf der Westbank die Regierung stellt, hat den kommenden Freitag als »Tag der Wut« ausgerufen und fordert alle Palästinenser auf, die israelischen Sicherheitskräfte zu attackieren. Bereits am Donnerstag soll ein Generalstreik das gesamte öffentliche Leben auf der Westbank lahmlegen. Beobachter halten das für den Versuch der Fatah, sich radikaler als üblich zu geben. Besonders unter den jungen Palästinensern rumort es, viele halten den 82jährigen Präsidenten Mahmud Abbas für zu altersmilde. Ihr Held ist der hungernde Marwan Barghuti.

Von Gerrit Hoekman junge Welt 26.4.17