INTERNATIONALER ARBEITERKAMPFTAG»Wir lassen uns nicht von den Behörden einschüchtern«

Bayern: Bündnis mobilisiert zur »Revolutionären 1.-Mai-Demonstration« in Nürnberg. Ein Gespräch mit Daniel Meier
Interview: Hendrik Pachinger, Nürnberg jW 25.4.2

Vorneweg: Ein von der Organisierten Autonomie (OA) angeführter Demozug am 1. Mai 2022 in Nürnberg
Daniel Meier (Name geändert) ist aktiv in der Organisierten Autonomie (OA), die in Nürnberg zum 1. Mai mobilisiert

Seit 32 Jahren gibt es eine besondere Kundgebung zum 1. Mai in Nürnberg statt. Ein Bündnis aus über 30 Gruppen organisiert dort zum internationalen Kampftag der Arbeiterklasse eine gemeinsame Demo nach der Veranstaltung des DGB. Anschließend findet das »Internationalistische Straßenfest« im Stadtteil Gostenhof statt. Wie gut klappt die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gruppen?

Die Demonstration ist seit fast drei Jahrzehnten eine Initiative der Organisierten Autonomie. Das Revolutionäre 1.-Mai-Bündnis setzt sich jedes Jahr neu zusammen. Grundlage ist ein Aufrufentwurf von uns, der dann im Bündnis diskutiert wird. Das Spektrum reicht dieses Jahr von Marxisten-Leninisten bis zu undogmatisch-anarchistischen Gruppen. Mit dabei sind auch Jugendverbände, Gewerkschaftsgliederungen und Bürgerinitiativen. Alle teilen das Bedürfnis, eine möglichst große und inhaltlich gute Demonstration an unserem Kampftag zu organisieren. Dementsprechend gut und solidarisch ist auch die Zusammenarbeit.

Die Nürnberger Maidemonstration ist seit Jahren die zweitgrößte in ganz Deutschland. Wie kommt es, dass ausgerechnet im konservativen Bayern eine so große Kundgebung stattfinden kann?

Uns freut natürlich, dass hier sehr viele mit uns auf die Straße gehen. Aber gemessen an der Bevölkerung Nürnbergs und den sich zuspitzenden Verhältnissen ist da noch Luft nach oben. Der relative Erfolg liegt stark an der langjährigen Kontinuität. Zu Beginn beteiligten sich gerade mal 200 Menschen. Obwohl es in immer mehr größeren Städten Bayerns Revolutionäre 1.-Mai-Demos gibt, kommen immer noch viele von außerhalb. Ein weiterer Faktor ist sicher auch das Straßenfest von uns im Anschluss. Es ist ein wichtiger Termin für viele Anwohner, zieht aber auch Nichtgostenhofer an. Die, die hier wohnen, kennen uns wiederum von der politischen Arbeit im Stadtteil seit vielen Jahrzehnten.

Die Demonstration ist immer wieder Grund für Auseinandersetzungen. In manchen Jahren kam es zu Eskalationen, in einem anderen hatte sich die Polizei für den hervorragenden Ablauf bedankt. Wie ist die Situation in diesem Jahr?

In den letzten Jahren gab es die große Besonderheit in Form des (pandemiebedingten, jW) Lockdowns, als der Staat versucht hat, möglichst das ganze Versammlungsrecht aufzuheben. Nach Beendigung der 2020 genehmigten Kundgebung, zu der die Stadt 50 Teilnehmer erlaubt hatte, nahmen sich etwa 1.000 Menschen selbstbewusst die Straße. 2021 wurde uns unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes auferlegt, Blöcke bestimmter Größe zu bilden. Und letztes Jahr dominierte dann wieder das Anliegen des Ordnungsamtes, die Demonstration möglichst polizeifreundlich zu gestalten, mit beispielsweise drei Metern Mindestabstand zwischen Transparenten, um Zugriffe und Abfilmen von Teilnehmern zu erleichtern.

Das Nürnberger Ordnungsamt fällt seit Jahren mit einer zunehmend repressiven Gangart auf. Demoverbote in der Innenstadt, Abstandsverfügungen zwischen Transparenten und abgelehnte Demoleitungen sind mittlerweile nichts Neues mehr. Wie wehren Sie sich dagegen?

Dieses Jahr gibt es eine Initiative aus dem Bündnis dazu. So wurde ein Flugblatt geschrieben, das unter anderem vor dem Nürnberger Ordnungsamt im Rahmen einer Kundgebung verteilt wurde. Entscheidend ist, dass wir uns nicht von Behörden einschüchtern lassen und trotzdem zusammen und solidarisch auf die Straße gehen. Wir versuchen auch zu vermitteln, dass sich Menschen vorher überlegen, wie sie im Fall von Polizeiübergriffen agieren. Am besten findet das kollektiv statt.

Dieses Mal steht der 1. Mai unter dem Motto: »Das Neue erkämpfen!«. Wie kann das gelingen?

Der einzige Weg, das Leid des real existierenden Kapitalismus zu beenden, ist, Schluss zu machen mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Dazu müssen wir uns zusammenschließen und kämpfen. Und zwar nicht nur am 1. Mai, sondern im Alltag, dort, wo wir leben und arbeiten. Das Kapital und seine Helfer sind bestens organisiert. Wir wollen sie – was das betrifft – überholen, um ihre Hegemonie zu brechen.