“Özgür wurde seinem Namen gerecht und kämpfte für die Freiheit“

Am 03.01.23 wurden Zeki Gürbüz und Özgür Namoğlu, zwei Kommunisten in Rojava, Westkurdistan, von einem türkischen Drohnenangriff getötet. Özgür ging so wie andere Internationalist:innen, wie Ivana Hoffmann aus Deutschland nach Rojava und war zuvor innerhalb der antifaschistischen Bewegung in Deutschland aktiv. Wir haben mit Şevîn Ocak von Young Struggle gesprochen und Fragen zu Özgür und seinem Leben gestellt.
Wie habt ihr vom Tod von Özgür Namoglu erfahren?

Am Freitag, dem 06.01 veröffentlichte die Twitter-Seite der MLKP-Kurdistan (Marxistisch Leninistisch Kommunistische Partei), dass bei einem Drohnenangriff des Türkischen Staates Zeki Gürbüz und Özgür Namoğlu unsterblich wurden. Zur selben Zeit hatten türkisch-bürgerliche Nachrichtenagenturen von gezielten Angriffen auf Zeki Gürbüz, einem Revolutionären gesprochen, welchen die Türkei seit vielen Jahren sucht, da er gegen den Faschismus kämpfte.

Özgür war am selben Ort und wurde ebenfalls getroffen. In der Erklärung hieß es, dass Özgür den Kampfnamen Fırat Neval trug und zu den Kadern der neuen Genaration an Guerillas gehörte. Seine Einfachheit, seine Disziplin und seine Bescheidenheit zeugten in seiner Person die Züge des Neuen Menschen, den wir schaffen wollen, hieß es.

Am Samstag, dem 07.01. folgte die Erklärung des Zentralkomitees der MLKP, worin noch einmal die Unsterblichkeit niedergeschrieben war und zugleich aus dem Leben von Özgür erzählt wurde. Als Familie und Genoss:innen waren wir zutiefst getroffen und sammelten uns in Dortmund, der Heimatstadt von Özgür.

Die Nachricht hatte sich schnell verbreitet und innerhalb weniger Stunden sammelten sich hunderte Menschen bei einer spontanen Gedenkveranstaltung. Özgür kannten alle, denn er war das Kind, was unter Genoss:innen und dem revolutionären Kampf groß wurde. Er hatte mit seinem Leben viele Menschen berührt und diese wollten jetzt ihm gedenken und an ihn erinnern.

Wie ist Özgür Namoglu politisch geworden und wie hast du ihn in der politischen Arbeit in Deutschland erlebt?
Özgür wuchs in einer revolutionären Familie auf. Seine direkte Beziehung zu den Revolutionär:innen wurde schon in jungen Jahren deutlich. Von seiner Geburt bis zu seiner Schulzeit musste er unter illegalen Bedingungen in der Türkei aufwachsen. Diese Situation führte später zu einem Sprung in seinem Bewusstsein. Denn er wusste schon bereits als Kind, welche Rolle der Faschismus in der Türkei spielt und welchem Kampf Kurd:innen und Kommunist:innen dagegen führen.

2008 musste Özgür nach Deutschland fliehen und wurde 2009 Mitglied der Kommunistischen Jugendorganisation (KGÖ). Özgür wusste, dass er politisch sein wollte und egal wo er sich befand, ob in der Türkei oder in Deutschland, er schaute nicht zu, er handelte. Ab 2013, genau in den Zeiten der Gezi-Proteste und einer lebendigen Zeit für Antifaschist:innen, hatte Özgür die Arbeiten von Young Struggle Dortmund begonnen.

Durch seine Jugend unter Revolutionär:innen hatte Özgür von klein auf ein Bewusstsein, was sich jetzt mit einer konkreten Verantwortung in der Praxis verbündete. Er beteiligte sich an der Organisation von Sommercamps und antifaschistischen Aktionen im Ruhrgebiet, insbesondere in Dortmund und Duisburg.

Auch beteiligte er sich damals an den Arbeiten der „Roten Antifa“, einer antifaschistischen Gruppe, welche für ihren antifaschistischen und internationalistischen Protest bekannt war. In kurzer Zeit knüpfte er Kontakte zu vielen jungen Menschen, vor allem in und um Dortmund. Die Arbeit, die mit zwei Personen begann, wurde zu Veranstaltungen, an denen Dutzende von jungen Menschen teilnahmen.

Im September 2014 wurde Serkan Tosun in Rojava unsterblich und war der erste Gefallene der MLKP vor Ort. Mit dieser Entwicklung war auch Özgür an einem Punkt der Entschlossenheit angekommen, nachdem er keine einzige Solidaritätsaktion für Rojava mehr verpasste und organisierte diese zum Teil mit. Der Özgür, den man eher als ruhig und leise kannte, rief die Parolen für Rojava am lautesten und vor allem die Parole „Tausende Grüße an die, die in Rojava kämpfen und fallen“.

Als Özgür die Idee hatte nach Rojava zu gehen, teilte er dies niemandem in seiner Stadt mit. Wie Yasemin Çiftçi und Ivana Hoffmann wurde er zu einem der jungen Kommunist:innen, die international zu Vorbildern ganzer Generationen wurden.

Wie hast du ihn kennengelernt und was ist dir von ihm besonders in Erinnerung geblieben?
Nachdem die Internationalistin Ivana Hoffmann am 07.03.2015 in Rojava unsterblich wurde, wurde im selben Jahr noch in Duisburg ein Festival organisiert, welches ihr gewidmet wurde. Auf dem Festival lernte ich Özgür kennen. Im Gegensatz zu mir kannte Özgür Ivana und hatte mit ihr zusammengearbeitet in Deutschland. Ich kam auch aus Dortmund und wir wurden uns gegenseitig vorgestellt, damit wir gemeinsam zurückfahren können. Ich war unorganisiert und doch interessiert und ab dem Tag an begleitete Özgür meine Politisierung.

Özgür redete nicht viel und war sehr überdacht in dem was er sagte. Ich bewunderte das sehr, denn es war ungewohnt, dass ein Mann nicht vorlaut und besserwisserisch handelte. Er war ruhig und entschlossen zugleich. Diese Art gab mir immer viel Sicherheit. Er war überzeugt von dem was er sagte und was er tat. Ich verspürte keine Unsicherheit, keine Zweifel.

Doch zugleich war er ein sehr schüchterner Genosse, welcher es nicht mochte im Vordergrund zu stehen. Ich habe mir alte Fotos angesehen, die auf Sommercamps oder Kongressen gemacht wurden. Özgür ist nie im Mittelpunkt der Fotos gewesen, er stand stets hinten und mit viel Glück sah man ihn. Nur wenige Menschen schaffen es so lösungsorientiert wie Özgür zu sein und doch zugleich so bescheiden damit umzugehen.

Seine Partei schrieb in der Erklärung, dass Özgür besonders im technischen und taktischen Kampf in Rojava spezialisiert war. Viele von uns, die ihn von früher kannten, wunderten sich nicht. Eine Genossin erinnerte sich, dass er beim Schach spielen von ihr vorausschauendes Denken einforderte. Denn er dachte immer den nächsten Schritt der anderen Seite mit.

Ein anderer Genosse erinnert sich an ihn aus der Schule und erzählte uns, wie die Bundeswehr dort zu Besuch war und bei einer Info-Veranstaltung Genosse Özgür – den nie aus der Stufe jemand reden hörte – aufstand und eine politische Rede gegen die Bundeswehr hielt.

Özgür schaffte es in den Jahren in Deutschland viele Menschen zu berühren und blieb vielen als liebevoller Genosse in Erinnerung. Es erfreut einen umso mehr, darüber zu lesen, dass ihn diese Eigenschaften trotz der schweren Bedingungen in Rojava mitten im Krieg nicht verlassen haben und auch dort auf andere Jugendliche abfärbten.

https://perspektive-online.net/2023/01/oezguer-wurde-seinem-namen-gerecht-und-kaempfte-fuer-die-freiheit/