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Redebeiträge vom 31.12

Liebe Genoss:innen, liebe Mitstreiter:innen, liebe Gefangene,
ich grüße euch im Namen der Roten Hilfe Berlin.

Wie jedes Jahr gehen wir Silvester gemeinsam auf die Straße um gegen Knäste Weltweit zu protestieren. Es ist immer wieder erstaunlich, und erschreckend wie diese Massiven Komplexe und vor allem deren Inhaftierten fast unsichtbar für viele Menschen sind, obwohl sie sich Mitten in unseren Städten befinden. Gefängnisse und Haft sind Tabuthemen in unserer Gesellschaft und die eingesperrten oder abgesessen haben die Gebrandmarkten.

Und doch sind Knäste für viele Menschen so alltäglich, ob als Gefangene, ihre Freund:innen oder Angehörigen. Oft ist es die bloße Existenz von etwa armen Menschen, Menschen ohne einem sicheren Aufenthaltstitel, ohne Zukunftsperspektive und / oder in Lebenskrisen weshalb sie kriminalisiert und von öffentlichen Plätzen verdrängt werden. Nicht selten landen sie in Knästen, in Abschiebezentren, in Gewahrsam oder geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen. Der Entzug der Freiheit nutzt der Staat um unerwünschtes Verhalten, aber auch marginalisierte und Ausgebeutete Menschen zu sanktionieren. Auf Ihrem Rücken wird ein Exempel statuiert.

Der Verlust ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit und Unversehrtheit wird dabei bewusst und billigend im Kauf genommen. Allein schon die Suizidrate innerhalb der Gefängnismauern ist viel Höher als außerhalb.

Überhaupt stellt sich die Frage, wie sehr ein Mensch eine solche Entscheidung wirklich freiwillig nehmen kann, wenn er so stark in die Ecke gedrängt und von seinen Liebsten abgeschottet wird.

An dieser Stelle möchte ich Ferhat Mayouf gedenken, welcher am 23.07.2020 in seiner Zelle hier in der JVA Moabit erstickt ist. Sein Tod lastet auf dem Knast und den Verantwortlichen. Er schrie im Feuer um Hilfe und seine Tür blieb weiterhin versperrt. Und sein Tod ist kein Einzelfall.

Der Knast oder auch nur die bloße Androhung des Wegsperrens ist eines der stärksten Repressionsmittel des Staates um zu versuchen, linke und emanzipatorische Bewegungen zu brechen. Weltweit werden Genoss:innen eingesperrt und verfolgt. Sei es für ihr eintreten für eine sozialistische Gesellschaft, für ihre antifaschistischen, ökologischen oder antimilitaristischen Kämpfe oder für ihre gelebte internationalistische Solidarität.

Denken wir nur an die Genoss:innen Özgül Emre, Ihsan Cibelik und Serkan Küpeli. Ihnen wird vorgeworfen Mitglieder der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKP-C) zu sein und somit Teil einer ausländischen Terroristischen Vereinigung nach 129 b. Ihsan Cibelik wurde vor kurzem die Behandlung seiner Krebserkrankung verwehr, Serkan Küpeli, wurde eingesperrt, als sein Kind gerade mal zwei Wochen alt war. Ihm wurde und wird seine Rolle als Vater durch die üblichen Knastbedigungen erschwert.

Oder aber auch an den Genoss:innen Tobi, Maja, Gabriele und Ilaria die in Europa verteilt in Untersuchungshaft sitzen. Ihnen wird vorgeworfen Teil einer kriminellen Vereinigung nach §129 zu sein und Nazis in Budapest angegriffen zu haben. Der Kontakt zu Ihren Nächsten werden teilweise enorm erschwert durch die geographische Distanz, sowie den strengen Haftbedingungen.

All diese Genoss;innen und viele weitere werden von Angehörigen, Freund:innen und von Ihren Bewegungen isoliert. Sie werden überwacht, eingeschüchtert werden und sollen mit Druck und Repression dazu gebracht werden, sich von Ihrer Einstellung distanzieren. Doch viele bleiben standhaft und wehren sich.

Denn sie wissen, dass es nur sie getroffen haben mag, gemeint waren aber wir alle.

Und dass, liebe Genoss:innen, dürfen wir außerhalb der Knastmauern nie vergessen. Unsere Solidarität und Zusammenhalt muss unsere Waffe gegen ihre Repression sein. Stärken wir den Leuten die drin sitzen den Rücken. Lassen wir sie nicht alleine.

Organisiert und beteiligt euch an Demos und anderen Aktionen, um Ihnen zu zeigen, dass wir sie nicht fallen lassen. Schreiben wir Ihnen um Sie zu bestärken, ob kurze solidarische Postkarten oder andauernde und stabile Brieffreundschaften. Lasst uns die Knäste, ihre Repression und die Gefahr die diese Institution darstellt ins öffentliche Bewusstsein rücken. Und fangen wir vor allem bei uns selbst an.

Als linke strömungsübergreifenden Antirepressionsstruktur merken wir immer wieder, dass um so weniger sich Genoss:innen dem Thema gewidmet haben, um so größer ist ihre Angst vor dem scheinbar Unbekannten, vor dem Knast. Setzen wir uns also alle aktiv damit auseinander, auch und vor allem mit den weltweiten Kämpfen dagegen. Es gibt dazu viel zu lesen und zu hören. Der Knast ist nicht nur eine weltumspannende Geschichte von Unterdrückung sondern auch von Widerstand dagegen, innerhalb wie außerhalb.

Daran müssen wir gemeinsam anknüpfen für eine bessere Zukunft ohne Knäste. Freiheit für alle politischen Gefangene

Lasst uns das Gedenken und die Trauer an Ferhat Mayouf und die vielen weiteren Toten hinter Gittern in Widerstand und Organisation verwandeln, um diesem System der Unterdrückung ohne Furcht gegenüberzutreten!

vielen Dank