Lange Zeit war Gülaferit die einzige politische Gefangene in Berlin. Sechs Jahre ist es her, seit sie von Griechenland nach Deutschland verschleppt und hier vor Gericht gestellt wurde. Drei Jahre in Isolation und weitere drei Jahre im Normalvollzug. Voraussichtlich wird sie bis zum Ende des Jahres eingesperrt bleiben. Obwohl sie sechs Jahre lang ungebrochen und kämpferisch war und ist, versucht der Knast den Druck auf sie zu erhöhen und die restliche Haftzeit mehr und mehr unerträglich zu machen.
In mehreren Artikeln (die u.a. im GI #406 erschienen sind „Die, die sich nicht ergeben, sterben nicht“ und „Die Haftbedingungen und die Repressalien gegen die §129b-Gefangenen„) beschreibt sie die Situation in den deutschen Gefängnissen und analysiert konkret wie der Staat die Spaltung zwischen den Menschen vorantreibt und Solidarität somit präventiv zu verhindern versucht. Sie ordnet ihre Erfahrungen in den Berichten politisch ein und hebt sie in einen allgemeinen Kontext. Ausgrenzung, Isolation und Spaltung sind die Machtinstrumente die uns im Leben oftmals einen gemeinsamen Kampf und Solidarität verwehren. Das subtile aber permanente Vorhandensein der Herrschaftsstrukturen in den Köpfen sorgt dafür, dass die kapitalistischen Ideologie lebt und durch Leute, die gesamt gesehen keinen Vorteil davon haben, reproduziert wird.
Folter ist offiziell verboten. Was verstehen wir unter Folter? Zwar ist physische Folter nicht im Anwendungsbereich der Polizei, trotzdem wird sie praktiziert. Psychische Folter, welche auch als weiße Folter beschrieben wird, ist ebenfalls verboten. Aufgrund ihres Charakters ist sie sehr leicht anzuwenden, denn sie hinterlässt keine offensichtlichen Spuren am Körper. Sie ist auch nicht leicht aufzudecken, sie wirkt zwar auf eine Art und Weise, die den Menschen stark beeinträchtigt, ist aber nicht so auffällig wie ein Schlagstock. Dennoch ist es brutale Gewalt, die systematisch den Menschen zerstören soll. Sprechen wir von Isolationshaft, sprechen wir im gleichen Zug von Isolationsfolter. Weitere Formen sind totale Erniedrigung, unwürdige Behandlung und Verlust der Identität. Als was ist sonst beispielsweise die Praxis eines „Besonders gesicherten Haftraums“(BGH) zu bezeichnen?
All das passiert im Frauenknast Lichtenberg. All das passiert unter der Knast-Leitung und unter dem rot-rot-grünen Berliner Senat. Wir glauben nicht an Zufälle, wir glauben auch nicht an die Handlungsunfähigkeit der Justiz-Vollzugs-Angestellten. Wie kann es ein Zufall sein, dass genau die Mitgefangenen Privilegien bekommen, die Gülaferit offensiv provozieren. Das einfache Standarts/Knastregeln und Gesetze bzw. gemeinsam getroffene Vereinbarung zwischen den Gefangenen ausgehebelt werden, zum Nachteil von Gülaferit. Da sie seit sechs Jahren dort eingesperrt ist, kann es nicht darauf zurück geführt werden, dass der Knast etwas ausprobiert oder unwissend ist. Sechs Jahre bedeutet, dass sich die Leute kennen, Wärter und Gefangene. Gülaferit macht seit Jahren sehr deutlich klar, was sie will und der Knast setzt genau dort an und lässt sie gegen ein Problem nach dem anderen kämpfen. Sechs Jahre lang wehrt sie sich gegen die ungerechte Behandlung, gegen Schikanen, gegen Willkür, Provokation, Rassismus und so weiter. Als „ausländische“ Gefangene in einem deutschen Knast. Hier da Rassismus aktiv eingesetzt wird um die Bevölkerung zu entzweien und zu kategorisieren. Gülaferit hat viele Provokationen von faschistischen Frauen erlebt. Ebenso werden gezielt Lügen verbreitet um die anderen von ihr fernzuhalten. Der Gesinnungsparagraf 129 b drückt ihr den Stempel als „Terroristin“ auf, dieses Märchen wird aktiv von einigen der Frauen verbreitet um die Stimmung gegen sie aufzuheizen und potentielle Verbündete abzuschrecken. Denn eins übermittelt der Knast deutlich, wer sich auf die Seite der politischen Gefangenen stellt, kann nicht mit Privilegien oder Haftlockerung rechnen.
Als Solidaritätsgruppe sehen wir uns in der Verantwortung über die Praxis der Folter und Sonderbehandlung Öffentlichkeit zu schaffen.
Wir fordern alle Gruppen auf, die sich mit Menschenrechten und Grundrechten insbesondere von Gefangenen beschäftigen, ihre Aufmerksamkeit dem Lichtenberger Frauenknast zu widmen und die dortigen Zustände zu untersuchen und aufzudecken. Ebenso alle die sich gegen Knäste im Allgemeinen engagieren, gegen die Praxis der Vereinzelung und Spaltung der gefangenen Frauen untereinander zu protestieren.
Solidarität ist eine Waffe – nutzen wir sie!