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Früherer HDP-Abgeordneter und ehemalige Bürgermeisterin von Cizre als Zeuge und Zeugin im 129b-Prozess vor OLG Stuttgart

Am 21. März beginnt für Kurdinnen und Kurden das Frühlingsfest NEWROZ.

An diesem Tag werden aber auch im laufenden PKK-Prozess gegen den kurdischen Aktivisten

Ali E. vor dem OLG Stuttgart ein Zeuge und eine Zeugin aussagen, die dem Gericht und der Öffentlichkeit ein authentisches Bild von der politischen Entwicklung und heutigen Situation in der Türkei vermitteln werden.

Es handelt sich um den ehemaligen aus Cizîr/Cizre stammenden Abgeordneten der vom Verbot bedrohten „Demokratischen Partei der Völker“ (HDP), Faysal SARIYILDIZ und die einstige Bürgermeisterin dieser Stadt, Leyla IMRET. Beide sind vor dem Hintergrund politischer Verfolgung exiliert und leben heute in Deutschland.

Sie waren Augenzeugen der schweren Menschenrechtsverbrechen türkischer Militär- und „Sicherheits“kräfte in den kurdischen Gebieten, insbesondere in Cizîr.

Faysal Sarוּyוּldוּz konnte bereits in anderen Prozessen in Deutschland zu den dramatischen Ereignissen in der Stadt im Jahre 2015 aussagen, wo während der Ausgangssperre 24 Zivilist:innen getötet wurden, darunter ein 13jähriges Mädchen und ein Baby. Der Staat hatte sie als „Terroristen“ bezeichnet. Er hatte weiter darüber berichtet, wie in den Kellern dreier Gebäude dorthin geflüchtete Menschen von den Spezialeinheiten mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt wurden. Während dieser schrecklichen Ereignisse war er die einzige Verbindung zu diesen Menschen in den Kellern, weil keine anderen Abgeordnete der HDP mehr in die Region gelassen wurden.

Später seien nur noch verbrannte Leichen geborgen worden; 143 Namen habe er auf einer Liste zusammengefasst. Es sei ihm in dieser Situation möglich gewesen, das EU-Parlament und den Kommissar für Menschenrechte direkt telefonisch über die Geschehnisse zu informieren. Faysal Sarוּyוּldוּz war wegen seines politischen Engagements selbst fünf Jahre in türkischer Haft. Noch vor dem Putschversuch von 2016 verließ er das Land und lebt seitdem in Deutschland.

Leyla Imret, als Kind nach Deutschland gekommen, ist nach fast 20 Jahren in den Südosten der Türkei zurückgekehrt und wurde als 26Jährige im Jahre 2014 zur Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt Cizîr gewählt. Doch weil das Erdoḡan-Regime in den meisten kurdischen Städten Zwangsverwalter eingesetzt hatte, ist auch sie im September 2015 ihres Amtes enthoben worden. Ähnliches geschah in 28 weiteren Provinzen. In der Folge wurde die Politikerin der HDP mehrmals verhaftet. Sie verließ Cizîr und ist auf Umwegen wieder nach Deutschland gekommen.

Die Verhandlung findet statt

am Dienstag, 21. März 2023, 9:30 Uhr,

OLG Stuttgart, Olgastraße 2

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Köln, 18. März 2023